Innovationen in der Software-Entwicklung sind ein Remix

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In der Produktentwicklung erlebt man vielfach die Diskrepanz zwischen Festhalten an Altem und dem Versuch etwas komplett Neues zu erschaffen. Der Kritikpunkt „das gibt es schon" reicht oftmals als Ausschlusskriterium. Dabei gibt es durchaus eine Grauzone.

Eine zügige Softwarentwicklung wäre überhaupt nicht denkbar ohne, zumindest in Teilen, auf die Erfindungen vorheriger Entwickler zurückzugreifen. In der Regel sind das Codeabschnitte, die als „Open Source", bzw. unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden oder der Urheber z.B. nur die Namensnennung verlangt (siehe auch iRights.info)

Mechanismen in der Funktionsweise oder zumindest im groben Erscheinungsbild zu kopieren, kann schon deshalb hilfreich sein, weil sich die Nutzer daran gewöhnt haben. Ein Beispiel wären die „Slide-Knöpfe" von Apple:

Natürlich kann man für solche Funktionen eigene grafische Umsetzungen entwickeln, aber die müsste der Nutzer erst kennen und verstehen lernen. Zudem wäre der Aufwand groß für etwas, was im Grunde gut aussieht und vor allem, funktioniert.

Noch stärker trifft man auf die Diskrepanz zwischen selbst machen und neu entwickeln bei Ideen, auf denen ein Produkt basiert. Hier immer zwangsweise das Rad neu erfinden zu müssen, wäre ungemein bremsend, denn man hätte nie die Ressourcen die gesamte Energie auf die eigentlichen Verbesserungen konzentrieren zu können. Unser digitales Reservierungssystem CentralPlanner beispielsweise ist ein Programm, in dem Restaurants ihre Buchungen verwalten können. Optisch ist es angelehnt an das klassische Reservierungsbuch aus Papier, im Hintergrund laufen jedoch diverse Funktionen, die weit über das reine Reservierungsbuch hinausgehen. Das Ziel sollte also darin bestehen, Gutes zu behalten und Schlechtes zu verbessern, nicht: „Hauptsache neu".

Ob man etwas kopiert oder selbst entwickelt hängt aber nicht nur von der Idee oder dem Produkt ab, sondern auch davon, ob es zum Unternehmen passt. Als Blackberry im Zuge des iPhone-Erfolges versuchte, Handys mit durchgehendem Touch-Display auf den Markt zu bringen, war das ein völliger Flop. Warum? Blackberries waren vor allem als Business-Handys für zwei Punkte bekannt: Erstens waren sie in ihrer Nutzung sehr genau zu kontrollieren und einzuschränken (weshalb sie insbesondere von Seiten der herausgebenden Firmen geschätzt wurden) und zweitens, auf Grund ihrer vollständigen Tastatur. Hier plötzlich auf dem Lifestyle-Markt mit Apple mitziehen zu wollen, war von vornherein zum scheitern verurteilt.

Everything is a remix

Nahezu alle "Neuentwicklungen", die wir heute sehen, gründen auf bekannten Bestandteilen. In der Musik ist das verwenden bestimmter Töne, aber auch ganzer Tonfolgen oder Rhythmen längst gang und gebe und reicht von simplen Coverversionen bis hin zu kreativen Remixen oder „Mash-Ups". Durch Youtube und Facebook erreichen solche Wiederverwertungen bekannter Songs ein Millionenpublikum, zum Teil mehr als das Original. Das Cover-Video von Gotyes „Somebody that I used to know", welches die kanadische Band Walk Of The Earth mit fünf Personen an nur einer Gitarre imitierte, wurde inzwischen über 170 Millionen mal geschaut (leider in Deutschland gesperrt). Mit ihren originellen Songinterpretation füllt die Band international mittlerweile riesige Hallen. Aber ist das jetzt nur „billiges Abkupfern"?

Wie Innovationen verlaufen

In den 40er Jahren kannte man bereits Produktkataloge. Auch gab es die Möglichkeit, Bausätze zu erwerben. Aber erst als der damals 17-jährige Ingvar Kamprad 1943 Ikea gründete, war das eine der prägendsten Wirtschaftsinnovationen des 20. Jahrhunderts. Jeder kannte Möbel, jeder kannte Kataloge und alle wußten, was ein Bausatz ist. Möbel aber in einem Katalog auszusuchen, den Bausatz im Laden abzuholen und das Möbelstück zu Hause selbst zu montieren, war gänzlich neu.

Der Wirtschaftsprofessor und Gründer der Teekampagne Günther Faltin hat diese Herangehensweise in seinem Buch „Kopf schlägt Kapital" beschrieben als „Gründen aus Komponenten". Man greift bei seiner Unternehmensgründung in vielen Bereichen sowohl auf bestehende Prozesse, als auch auf externe Anbieter zurück und kann so den Innovationsprozess auf einen kleinen, aber wichtigen Bereich fokussieren. Hinzu kommt, viele Probleme wurden in anderen Bereichen bereits gelöst und die Lösungswege müssen eigentlich „nur" übertragen werden. Ein Beispiel wo genau dieser Prozess einen Teil des Geschäftsmodells ausmacht, ist die Innovationsplattform „Innocentive". Hier bekommen vielmals fachfremde Experten die Chance, an Problemlösungen mitzuarbeiten und davon zu profitieren. Im Schnitt liefern die Mitglieder von Innocentive nach nur 74 Stunden einen Lösungsvorschlag für die Aufgabe.

Software-Innovation erfolgen Schrittweise

Im Bereich der Software-Entwicklung gibt es tägliche neue und spannende Produkte und Innovationen, doch viele davon sind genau so schnell wieder von der Bildfläche verschwunden, wie sie gekommen sind. Denn neben der Innovation ist ein weiterer Faktor wesentlich wichtiger: Die neue Software muss Dinge nicht zwingend neu, aber ganz sicher besser machen. Sogenannte CRM-Systeme gibt es seit Jahren und derer sogar eine ganze Reihe. Trotzdem fanden wir, damals noch tätig in der klassischen Wirtschaftsberatung, nichts Passendes für ein kleines deutsches Unternehmen, was wirklich so einfach in der Handhabung war, dass man auch unerfahrene Studenten damit hätte arbeiten lassen können, ohne sie zuvor tagelang in Schulungen zu schicken.

Das Ergebnis war unsere eigene Entwicklung CentralStationCRM, welche heute täglich von tausenden Nutzern in Kleinunternehmen genutzt wird. Diverse Funktionen und Abläufe gab es grundsätzlich schon in anderen Systemen, aber die Reduktion auf das Wesentliche, die viele komplexe Abläufe in den Hintergrund verbannt, war neu - und besser als vieles bisher Verfügbare.

Seit dem entwickeln wir Schritt für Schritt weiter. Und so wie Autobauer nicht jedes Jahr Autos mal mit drei, mal mit fünf oder sechs Rädern auf den Markt bringen, laufen viele unserer Verbesserungen im Hintergrund ab und sind nicht direkt offensichtlich. Dazu gehen wir mit offenen Augen durch unseren Alltag und schauen wie andere "ihre" Problem in den Griff bekommen. Das sind nicht zwingend Funktionen von Wettbewerbern, sondern können auch schöne Ansätze anderer Dienste oder sogar aus der Offline-Welt sein. An Hand der Ergebnisse versuchen wir dann neue Lösungswege zu entwickeln, die schneller, einfacher oder schlicht schöner sind. Der ganz große „Heureka-Moment" mag so ausbleiben, aber es macht die Software für die Nutzer ganz sicher besser. Insofern bleiben wir dabei: lieber gut kopiert, als schlecht selbst gemacht.

von Sven Sester über Entwickler, Produktivität und Usability
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