In den Vertriebsabteilungen vieler Betriebe ist die Zahlung von Provisionen ganz normal. Der Mitarbeiter soll so an dem Erfolg des Unternehmen beteiligt werden – denn wenn der Mitarbeiter viel verkauft geht es auch der Firma gut, ist ja logisch. Falsch, ganz so logisch ist das nicht.
Der Harvard Business Manager berichtete vor einigen Wochen darüber, dass Forscher sich genauer mit der Effektivität von Motivationsfaktoren beschäftigt haben. Sie fanden heraus, dass von bestimmten Faktoren abhängige Belohnungen insbesondere bei Routineaufgaben gut funktionieren. Zum Beispiel wenn es pro zugeklebtem Brief ein paar Cent Bezahlung gibt.
Falsche Anreize für komplexe Tätigkeiten, wie den Vertrieb
Für komplexe, insbesondere für kreative Tätigkeiten sieht es allerdings ganz anders aus. Hier verengt die banale Wenn-Dann-Belohnung eher den Horizont und das ist ja auch naheliegend.
Bei Tätigkeiten wie der Übersetzung von Texten wird häufig pro Wort oder pro Zeile übersetzt. Nun kann ich Texte sicherlich auf ganz unterschiedliche Arten übersetzen. Wenn ich nur nach der Geschwindigkeit belohnt werde, dann kommt es nicht sonderlich auf die Qualität an und ich werde versuchen möglichst viele Wörter pro Zeiteinheit zu übersetzen.
Ähnlich ist es mit der Arbeit im Vertrieb. Auch dort sind es zumeist komplexe, kreative Aufgaben, wie die Erstellung von Angeboten oder die Planung von Projektabläufen.
Wenn ich aber dafür belohnt werde, dass ich einen Verkauf mache, dann werde ich versuchen so viele Verkäufe wie möglich zu erzielen. Gilt: „Wenn Auftrag, dann Provision“, werden Vertriebler stets so wenig Arbeit wie überhaupt nur nötig in die Gewinnung eines Auftrages investieren. Ob sich der Kunde dann zu schnell verhaftet oder sogar über den Tisch gezogen fühlt, wird nebensächlich.
Gegensätzliche Ziele bei Betrieb und Mitarbeiter
Diese kurzfristigen Ausrichtung des Vertriebs ist Anlass für Kritik an Provisionen im Vertrieb. Die meisten Privatpersonen denken nicht so langfristig wie Firmen es müssen. Somit zielt die Belohnung auf die Maximierung der Verkäufe im Zeitraum X ab, während das Unternehmen den Erfolg insgesamt (über das gesamte Bestehen) zu maximieren versucht.
Motivation im Team
Ein weiterer Negativaspekt von Provisionen für einzelne Mitarbeiter ist die Auswirkung auf das Team. Bei Firmen oder Teams mit Provisionsmodell wird es immer die top- und die low-performer geben. Es gibt den Star, der die meisten Abschlüsse macht und andere, die einfach nicht hinterher kommen. Je höher der Anreiz für einen Verkauf ist, desto stärker entwickelt sich das Team zu einer Vielzahl an Einzelkämpfern. Raten Sie was passiert, wenn ein Mitarbeiter bei einer für ihn wichtigen Präsentation in zeitliche Bedrängnis kommt. Werden die Kollegen ihm gerne helfen? Natürlich nicht. Schließlich verhelfen sie ihm damit zu höherem Verdienst und sie selbst haben weniger Zeit für einen Abschluss.
Also sollen Sie ihre Provisionen sofort abschaffen?
Jein. Ich würde sie in meinem Unternehmen nie einführen, weil ich denke, sie schaffen die falschen Anreize. Bei bestehenden Strukturen und auch Erwartungen seitens der Mitarbeiter ist es natürlich ein sensibles Thema. In erster Linie ist es wichtig, dass Sie Provisionen im Vertrieb nicht als gottgegeben oder „alternativlos“ sehen. Vielleicht sprechen Sie einmal mit den betroffenen Kollegen und überlegen gemeinsam. Viele kreative Köpfe halten ihre Anreizsysteme selbst für falsch und fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt. Vielleicht tun sie allen einen Gefallen, wenn Sie den variablen Anteil der Bezahlung senken.