Unternehmen betreiben Pressearbeit und Blogger Relations mit dem gleichen Ziel: Sie möchten ihre Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, denn sowohl Journalisten als auch Blogger fungieren als Multiplikatoren. Man könnte also denken, dass die Ansprache von klassischen Medien und Blogs ganz ähnlich verläuft - in der Tat funktionieren beide “Systeme” aber doch recht unterschiedlich.
Melanie, wie würdest du die Haupt-Unterschiede zwischen Pressearbeit und Blogger Relations beschreiben?
Ein Blogger sucht eher Geschichten als Informationen.
Die meisten Blogger_innen betreiben ihren Blog mit Herzblut für ein Thema oder weil sie gerne über ihren Alltag und bestimmte Aspekte berichten und öffentlichen Austausch wünschen. Grade persönliche Blogs, zum Beispiel aus den Bereichen Familie oder Reisen spiegeln die Persönlichkeit des Bloggers. Auch wenn einige Blogger inzwischen mit ihrem Blog Geld verdienen, steht für sie ihre Lebens- und Gedankenwelt im Vordergrund oder die Verbreitung eines Themas. Ein Zeitungsredakteur hat als Hauptaufgabe, Informationen zu bestimmten Themen zu sammeln und damit ein Blatt zu füllen. Für ihn ist eine gut gemachte Pressemitteilung vielleicht Arbeitserleichterung, weil er mit den mitgelieferten Infos schon ein paar Zeilen füllen kann. Ein Blogger/eine Bloggerin sucht eher Geschichten als Informationen und schreibt - wenn sie eine gute Bloggerin ist - diese Geschichten am Liebsten selbst.
Sind die Inhalte auf Blogs über Unternehmen glaubwürdig, wenn sie als Anzeige bzw. als sogenannter “Sponsored Post” gekennzeichnet werden?
In meinen Augen eigentlich nur dann! Denn die Bloggerin oder der Blogger macht damit transparent, dass eine Gegenleistung für den Artikel geflossen ist. Gute Blogger_innen würden ein richtig mieses Produkt glaube ich auch nicht bewerben, falls jemand Sorge um gekaufte Meinung hat. Schließlich haben wir Bloggerinnen einen Ruf zu verlieren. Wenn ich meinen Leserinnen ein Produkt empfehle, dass aber eigentlich Schwachstellen hat, dann werden meine Leserinnen ihren Frust auch bei mir ablassen, wenn sie auf meine Empfehlung hin etwas gekauft haben. Ich hatte bisher zwei Mal den Fall, dass ein Produkt nicht meinen Qualitätsvorstellungen entsprach. In beiden Fällen habe ich das Unternehmen darauf hingewiesen und nachgefragt, wie wir verfahren sollen - ob ich den Beitrag trotzdem posten soll, mit der genannten Kritik, oder ob wir die Kooperation in dem Falle lieber absagen.
Produkt und Blog sollten gut zusammen passen.
Mir haben Unternehmen häufiger geschrieben „Da wir keine Meinung kaufen wollen, sondern nur mit authentischen Fans arbeiten, sehen wir von einer Bezahlung ab“. Da schreibe ich gerne zurück, dass sie nicht meine Meinung kaufen, sondern die Arbeitszeit für das Schreiben und Fotografieren, das dann zum fertigen Beitrag führt. Plus Aufschlag für zielgruppengerechte Ansprache und Reichweite, die ich mir ja über die Jahre erarbeitet habe. Wenn man eine Anzeige in einer Zeitung schaltet, „kauft“ man damit auch nicht die Lesermeinung, sondern macht das Produkt bekannter.
Beim Thema Glaubwürdigkeit sollte eher im Vordergrund stehen, dass Produkt und Blog gut zusammen passen - wenn auf einem Blog zu nachhaltigem Lebensstil plötzlich Kaffeekapseln angepriesen werden, fühle ich mich als Leserin auf den Arm genommen!
Was sind die Vorteile von Blogger Relations gegenüber Pressearbeit?
Blogger bringen ihren ganz persönlichen Blick auf ein Produkt oder Unternehmen.
Das kommt drauf an, was man möchte… Eine Pressemitteilung kann man, einmal erstellt, an viele Verlagshäuser gleichzeitig schicken und hat damit einen recht großen Output. Blogger wollen die Produkte oder Unternehmen aber kennen lernen, testen. Sie haben Fragen und suchen nach dem Mehrwert für ihre Leserinnen. Ich würde nie ein Produkt vorstellen, ohne es vorher getestet zu haben, außer mit so einführenden Worten wie: Hier, kenn ich nicht, klingt aber vielversprechend weil …
Dafür bringen Blogger ihren ganz persönlichen Blick auf ein Produkt oder Unternehmen. Wenn fünf Blogger_innen ihre persönliche Geschichte zu einem Produkt erzählen, kommen möglicherweise fünf unterschiedliche Aspekte zum Vorscheinen. Die eine interessiert sich beispielsweise wegen der veganen Herstellungsweise für ein Paar Schuhe, die Nächste findet das Design hammermäßig und die Dritte freut sich, dass der Schuh in Europa hergestellt wurde. Jetzt könnte man ja sagen: Wäre doch super, wenn alles in einem Beitrag vorkäme. Vielleicht tut es das auch, aber mit unterschiedlicher Gewichtung. Denn die Bloggerin vom VeganLifeStyle Blog stellt eben die Herstellungsweise in den Fokus, die Modebloggerin das Design und die Nachhaltigkeitsbloggerin die faire Produktion. Dazu bekommt man die jeweilige Zielgruppe, die die Blogger kontinuierlich aufgebaut haben und viel genauer umgrenzt werden kann als, sagen wir, in einer großen Tages- oder Wochenzeitung.
Wie finden Unternehmen Blogs, die zu Ihren Themen passen?
Da gibt es inzwischen vielfältige Wege: Es gibt Agenturen, die sich mit Influencer- & Blogger Relations beschäftigen und in Absprache mit dem Unternehmen Kampagnen gestalten. Dann gibt es zu verschiedenen Bereichen wie Reise, Lifestyle oder Familie inzwischen Bloglisten, in denen man sich umschauen kann. Und wenn man als Unternehmen selber auf die Suche geht, sollte man sich Zeit für eine ausführliche Recherche nehmen und lieber auf “weniger ist mehr” setzen. Der Trend geht auch weg von der alleinigen Ansprache großer, reichweitenstarker Blogs hin zu den kleinen aber feinen „Mirkoinfluencern“.
Wie können Unternehmen sicher sein, wie groß die Reichweite eines Blogs sind?
Ich bitte darum die Macht der "Reichweite" zu hinterfragen.
Ehrlich gesagt: eigentlich gar nicht. Heutzutage kann man Follower kaufen und sogar Klicks auf Blogs - damit haben sogar schon mal Blogger die Blogs ihrer Konkurrenten lahm gelegt, weil der Server dann eingestürzt ist. Es gibt zwar Tools, mit denen man die Reichweite oder Sichtbarkeit zu bestimmten Themen messen lassen kann, aber wie gesagt: So lange es möglich ist, Klicks und Follower zu kaufen, muss man schon genauer hingucken. Man kann sich natürlich einen Screenshot von Google Analytics schicken lassen, aber auch da kann man tricksen. Letzten Endes sollte man auf das Gesamtpaket schauen: Wie lange gibt es den Blog? Wie oft wird gebloggt? Kommentieren die Leser_innen auf dem Blog und in den Social Media Kanälen? Ich bitte auch immer darum, die Macht der „Reichweite“ zu hinterfragen: Was nützen tausende Leser, wenn die für das Produkt gar nicht interessant sind? Sprich: lieber den Blog aussuchen, der der Wunschzielgruppe schon recht Nahe ist, als den, der überall anschlussfähig ist und damit aber auch viele Leute erreicht, die mit dem Produkt eh nichts anfangen können.
Welche Formen der Berichterstattung über Themen von Unternehmen sind auf Blogs üblich?
Geschichten, die auch ohne den Werbeteil schön zu lesen sind.
Im Wesentlichen sind das Produkttests und Erfahrungsberichte: Wenn ich Kinderkleidung vorstelle, dann will ich die auf Herz und Nieren prüfen, ein Hotel schau ich mir ebenfalls sehr kritisch an, aber zu beidem möchte ich auch als Bloggerin meine persönliche Sichtweise mitteilen. Wenn ich ein Hotel „teste“, dann achte ich als Bloggerin nicht nur darauf, dass alles sauber ist und der Service zufriedenstellend - das sollte bei einer Kooperation (siehe oben) eh Mindeststandard sein. Darüber hinaus nehme ich meine Leser mit ans Buffet, erzähle von meinem Gespräch mit den älteren Besitzern, wie sie den aktuellen Hoteltrends widerstehen oder zeige Fotos vom Hund der Besitzer. Je nach Erzähltalent des Bloggers kommen dabei Geschichten zustande, die auch ohne den „Werbeteil“ schön zu lesen sind.
Ich kann aber auch einen Reisebericht schreiben und zum Beispiel aufführen, was wir alles gepackt haben, und dann die jeweiligen Produkte mit einem Affiliate Link versehen, gleiches gilt für Kleidung, Buchlisten etc...
Mit welchen Kosten müssen Unternehmen rechnen, wenn sie sich an Blogger wenden?
Der langfristige Wert eines gut geschriebenen Blogbeitrags ist nicht zu unterschätzen.
Das hängt vom Aufwand der Kampagne ab: Wählt man den Weg direkt über eine Agentur oder hat man intern Kapazitäten, um individuell Blogs auszuwählen und zu briefen? Natürlich kann auch jeder Blogger sein Honorar selber festlegen - es ist also Verhandlungssache. Mit mindestens 200 Euro pro Blogbeitrag sollte man aber auch bei kleineren Blogs rechnen, bei großer Reichweite sind auch 600 Euro nicht unüblich. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Aufschläge für Bildrechte (wenn mit dem Fotos des Bloggers auf der Unternehmensseite geworben wird) und so kommen da schon ein paar Euro zusammen. Wenn ich das aber mit Werbung in Printmedien vergleiche, finde ich das immer noch total günstig. Außerdem verstehen gute Blogger auch etwas von Suchmaschinenoptimierung - der langfristige Wert eines gut geschriebenen Blogbeitrags ist also nicht zu unterschätzen.
Wenn Unternehmen Blogger für Artikel bezahlen - dürfen sie dann auch bestimmen, was in dem Artikel steht?
Briefing ist gut, Vertrauen in die Schreibkunst des Bloggers auch.
Jein. Natürlich kann man deutlich machen, was man im Artikel drin haben möchte, also Informationen zum Produkt oder Unternehmen. Und man sollte auch, schon um Missverständnissen oder Ärger vorzubeugen, den fertigen Beitrag vor Veröffentlichung noch mal ans Unternehmen schicken und auf das OK warten. Aber man sollte es möglichst vermeiden, dem Blogger vorzuschreiben, WIE er die Informationen dann verpackt. Ich habe schon mal eine Kooperation abgelehnt, weil ich merkte, der Kunde möchte gar nicht meine Geschichte, sondern nur einen Suchmaschinenoptimierten Beitrag ohne Schnickschnack. Dann hilft ihm eine klassische Werbeanzeige vermutlich mehr.
Absprachen wie: So und so viele Bilder / das Produkt mit Logo mind. einmal im Bild sind aber durchaus üblich. Es hilft ja auch beiden Seiten, wenn sie in etwa wissen, was am Ende dabei rauskommen soll. Aber dass das gut wird, daran haben ja in der Regel beide Seiten ein Interesse. Man darf den Bloggern durchaus Kreativität zutrauen, aus dem Grund bloggen ja die Meisten - um sich kreativ ein wenig auszutoben. Sprich: Briefing ist wichtig, Vertrauen in die Schreibkunst des Bloggers auch.
Aus Blogger-Sicht: Über welche Anfragen von Unternehmen freust du dich? Über welche ärgerst du dich?
Ich freue mich über jede Anfrage, in der deutlich wird, dass man sich meinen Blog angeschaut hat. Und damit meine ich mehr, als nur Startseite und den aktuellsten Beitrag. Ich habe auf meinem Blog sogar eine eigene Seite zum Thema Werbung/Kooperationen, auf der ich kurz beschreibe, welche Anfragen bei mir überhaupt in Frage kommen, dass ich Wert auf Kennzeichnung und Co. lege und auch ein Honorar erwarte. Man muss nicht alles gelesen haben, aber wenn auf meinem Familienblog eine Anfrage von einem Kasino kommt, dann landet das direkt in Ablage Papierkorb.
Worauf sollten Unternehmen bei der Ansprache von Bloggern achten?
Der Blogger ist ein Geschäftspartner und kein "Fan".
Als erstes: Blogger sind auch nur Menschen :-) Den Namen schon mal richtig schreiben ist ein guter Anfang (man glaubt nicht, wie oft da Fehler passieren! Oder ich bekomme Mails mit „Hallo glücklich scheitern!“). Außerdem: Auf Augenhöhe bleiben, der Blogger ist in dem Fall ein Geschäftspartner und kein „Fan". Und nein, liebe Unternehmen, ich muss es leider direkt sagen: So knorke euer Produkt oder eure Infografik auch ist, sie ist auch wieder nicht sooo toll, dass ich dafür auf ein Honorar verzichte. Ich falle auch nicht vor Dank vom Baum, wenn ich euer Produkt für 50 Euro testen darf, darüber schreiben und es danach noch zurück schicken soll! Und für euch mach ich auch keine Ausnahme, was die Kennzeichnung angeht, es bleibt ein Werbebeitrag und der Link wird auf no-follow gesetzt! Beliebt auch: „Wir sind ein kleines Start Up“ und dann folgt meist mehr oder weniger direkt „und haben deshalb leider kein Budget“. Dann gibt es halt keine Werbung - Punkt. Es sei denn, mit eurem Start Up tragt ihr dazu bei, dass nie wieder Kinder Hunger leiden und innerhalb von einem Jahr kein Plastik mehr in den Müll gelangt - dann bin ich vielleicht dabei, aber so ein Start Up hat sich bisher noch nicht in mein Mailfach verirrt.
Warten Blogger in der Regel darauf, von Unternehmen auf Kooperationen angesprochen zu werden oder sprechen Blogger umgekehrt auch Unternehmen an?
Das kommt immer ein bisschen auf die Intention des Bloggers an, wie sehr das Blog zu seinem Einkommen beitragen soll, denke ich. Bei mir war das nie vordergründiges Ziel, auch wenn ich mich sehr freue, wenn ich damit Geld verdienen kann. Und genau so, wie Unternehmen auf Agenturen zugehen, die ihnen einige Arbeit abnehmen in der Kommunikation mit Bloggern, gehen inzwischen einige Bloggerinnen auf Agenturen zu, um sich die Akquise zu erleichtern. Wenn man aber als Unternehmen bereit ist, ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen für die Arbeit mit Bloggern, dann sollte man sich nicht scheuen es zu probieren!
Über Melanie Trommer
Melanie Trommer, 38, zwei Kinder aus Köln. Bloggt seit 2010 auf gluecklichscheitern.de über Familie, Feminismus und Fernweh und seit 2017 auch als Content Creator für kleine Unternehmen. Mag Reisen, Sport und Sonne.
Sie möchten mehr zum Thema lesen? Bisher sind in der Serie "PR für Selbständige und KMU" folgende Artikel erschienen:
- Public Relations für Selbstständige und KMU
- Grundlagen für die Öffentlichkeitsarbeit
- Die richtigen Medien für Ihre Öffentlichkeitsarbeit
- PR für KMU: Diese Journalisten sollten Sie ansprechen
- Über den Umgang mit Journalisten
- Journalistenkontakte mit einem CRM verwalten
- PR für KMU: Themen finden für die Pressearbeit
- PR-Texte: Alternativen zur Pressemitteilung
- Eine Pressemitteilung schreiben
- Pressemitteilung und Co. an Journalisten schicken
- Blogs und Podcasts für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen
- Blogger Relations: So sprechen Sie Blogger richtig an
- PR intern machen oder eine geeignete PR-Agentur finden