6 Minuten Lesezeit

5 CRM-Software-Erfahrungen, warum CRM-Pojekte scheitern

Die Studie „CRM-Praxis 2014/15“ zeigt ein wenig überraschendes Ergebnis: Zu komplex, zu aufwendig in der Pflege und zu langsam, lautet das Fazit. Dieses Resümee ziehen Firmen jedoch schon seit mehreren Jahren. Die eigentliche Frage lautet deshalb: Warum ist das so? Gibt es einfach keine CRM-Systeme, die das leisten können? Oder entscheiden sich Unternehmen für die falsche Software, also sind die Systeme selbst in Ordnung, passen aber schlicht nicht zum Unternehmen?

Unsere CRM-Software-Erfahrung zeigt, dass in der Regel Letzteres der Fall ist. Es gibt inzwischen unzählige, zum Teil auch sehr gut durchdachte Tools am Markt. Allerdings finden die nicht immer ihre passenden Anwender und das hat verschiedene Ursachen. Stellvertretend möchten wir fünf von ihnen näher untersuchen.

1. CRM-Problem: CRM-Systeme werden nicht für die Nutzer entwickelt

Insbesondere in größeren Unternehmen sind CRM-Einführungen mit großem Aufwand verbunden, sowohl zeitlich, als auch monetär. Die Entscheidung darüber, welche Software angeschafft wird, liegt deswegen nicht ohne Grund beim Management. Das Management hat jedoch leider oft ganz andere Anforderungen an ein solches System, als diejenigen, die es täglich anwenden. Während die Management-Ebene sich gerne am Ende des Tages oder der Woche eine „Cockpit-Ansicht“ mit einer Übersicht aller Ergebnisse anzeigen lassen möchte, auf der man Zahlen vergleichen und erkennen kann, wer mal wieder seinen Soll nicht erfüllt hat, will „der gemeine Anwender“ einfach nur flüssig arbeiten und seinen Job machen. "Flüssig" läuft das aber in der Regel nicht, wenn zig Felder ausgefüllt werden müssen, deren Sinn man gar nicht versteht, ohne die man aber nicht weiterkommt. Dazu kommen dann noch stundenlange Schulungen, um wenigstens einen Bruchteil der vorhanden Funktionen zu kennen. Zusätzlich wartet man dann noch ewig auf das Nachladen eines CRM-Tankers, weil der Ladevorgang durch unzählige Funktionen verschleppt wird - auch wenn 90 % dieser Funktionen überhaupt nicht genutzt werden.

2. CRM-Problem: Wir wollen so viele Funktionen wie möglich - und ärgern uns dann

Es liegt in der menschlichen Natur, sich nicht zu beschränken, sondern alle Optionen offen halten zu wollen. Das gilt im Leben wie bei Software. Eine große Entscheidungsvielfalt macht uns jedoch am Ende unzufriedener und sorgt dafür, dass wir uns irgendwann gar nicht mehr zurechtfinden, weil wir von der Komplexität überfordert sind.

“Learning to choose is hard. Learning to choose well is harder. And learning to choose well in a world of unlimited possibilities is harder still, perhaps too hard.” - Barry Schwartz

Dieses psychologische und vielfach untersuchte Phänomen nennt Barry Schwartz „The paradox of choice“. Er hat gezeigt, dass Menschen in westlichen Ländern immer unzufriedener werden, je höher der Wohlstand ist und je mehr Optionen Menschen haben, sich selbst zu verwirklichen. Die New Yorker Professorin Sheena Iyengar hat es in ihrem „Marmeladenexperiment“ bewiesen. Auf zwei Versuchstischen wurden Marmeladen angeboten. Auf dem ersten Tisch sind es sechs, auf dem zweiten 24 Sorten. Während sich deutlich mehr Kunden um den Tisch mit den 24 Sorten scharen, kaufen letztendlich mehr Kunden an dem mit den sechs. 

Auf das CRM übertragen bedeutet das, wir möchten die Software mit so vielen Features wie möglich, weil wir sie hypothetisch mal brauchen könnten. In der Praxis kriegen wir das Programm dann kaum noch bedient, sind ruckzuck überfordert und letzten Endes wird das Projekt CRM scheitern.

3. CRM-Problem: Wir nutzen in der Praxis viel weniger, als wir im Vorhinein glauben

Liest man sich durch die Beschreibung der einzelnen Funktionen einer Software, staunt man über all das, was theoretisch damit möglich wäre. In der Praxis setzen sich jedoch schnell die „must haves“ von den „nice to have“-Funktionen ab. Nicht nur, weil für die optionalen Funktionen, Auswertungen, etc. im Arbeitsalltag die Zeit fehlt. Der Grund liegt vor allem darin, dass aus diesen, böse gesagt, Spielereien, keinerlei Maßnahmen erwachsen. Zu wissen, dass Abteilung A im Schnitt 10 Minuten länger telefoniert als Abteilung B, Abteilung B hingegen durchschnittlich einen Kundenkontakt weniger zum Abschluss benötigt, mag in einem großen Call-Center relevant sein, ändert in den meisten Unternehmen aber faktisch gar nichts. Diese Form von Mikromanagement ist entweder zeitlich gar nicht darstellbar, oder ohnehin vollkommen sinnlos. Zusätzlich nerven und verwirren diese Features aber den Anwender. Trotzdem, derlei Funktionen gehören immer wieder zu den absoluten „must haves“ in den Anforderungskatalogen, die von potenziellen Kunden an die CRM-Hersteller verschickt werden. Kein Wunder, dass viele Hersteller über die Jahre auch immer wieder „ja“ dazu gesagt haben.

4. CRM-Problem: Firmen testen nicht unter realen Bedingungen

Wenn die Einführung eines neuen CRM-Systems ansteht, sucht der Chef in einer ruhigen Stunde ein wenig im Netz. Er liest, was es so alles schönes gibt und wohin der Trend sich entwickelt. Anschließend geht die Anweisung an den Mitarbeiter, der sich „mit sowas am ehesten auskennt“. Es werden vielleicht noch Lastenhefte definiert und verschickt, über kurz oder lang werden dann einige Software-Lösungen getestet. Getestet heißt in diesem Falle, es wird ein Max Mustermann angelegt, eine Notiz geschrieben und einige fiktive Zahlen ausgefüllt. Vielleicht werden noch ein paar Testdaten importiert und die FAQs gelesen. Soweit so gut. Diese Form des Testens ist sicher besser als nichts, führt aber später leicht zu Unzufriedenheit, denn: selten testen die Personen, die später mit dem System auch arbeiten sollen. Es bringt aber nichts, wenn sich der CRM-Spezialist des Unternehmens zurecht findet, der Sachbearbeiter aber später überhaupt nicht. 

Dann ist ein CRM ohne irgendwelche Anpassungen mit nur einer Hand voll Datensätzen natürlich recht flink. Werden dort später aber diverse Zusatzmodule angeflanscht und tausende Kontakte abgelegt, kommt die Software schon mal ins stottern. Das ist insbesondere der Fall, wenn das CRM auf der eigenen (nicht darauf ausgelegten) Hardware lokal installiert wird. Lange Antwortzeiten sind das unangenehme Resultat.

5. CRM-Problem: Wir vergessen den Lock-In-Effekt 

CRM-Anbieter sind wie alle Händler gerade in der Anfangszeit sehr bemüht, einen Kunden zu gewinnen und einem den Einstieg zu erleichtern. Um den Ausstieg hingegen kümmern sie sich weit weniger. Im Gegenteil, es wird versucht den zahlenden Kunden so lange zu melken halten, wie möglich. Das kann auf vielerlei Arten geschehen. Ganz offensichtlich sind z.B. lange Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen. Subtiler hingegen sind umfangreiche Anpassungen und eigens programmierte Module zu Beginn, die ein Update oder auch einen Wechsel später deutlich erschweren. Ebenso gibt es in der Regel zwar eine Funktion zum Datenexport (z.B. als csv-Datei), aber die betrifft oft nur die Stammdaten. Größere Textfelder wie E-Mails oder Notizen lässt das Format kaum zu und wird deshalb schnell unter den Tisch fallen gelassen. Jeder, der einmal versucht hat, die Daten eines der großen CRM-Platzhirsche in ein anderes CRM zu migrieren, kann davon ein Lied singen. Es kann immer der Fall sein, dass man das CRM einmal wechseln muss oder möchte. Wenn man nicht wechselt, sollte das daran liegen, dass einem das aktuelle System gefällt, nicht weil man nicht kann.

Fazit: Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Es gibt einige sehr gute und für die meisten Unternehmensgrößen und -formen passende CRM-Systeme. Doch mit dem Verschicken eines Anforderungsprofils und der Unterschrift unter einem Kaufvertrag ist es noch lange nicht getan. Speziell kleine Unternehmen tun sich einen Gefallen mit schlanken, einfachen und webbasierten Standardlösungen ohne viel Schnickschnack. Die CRM-Software sollte eine speziell für KMU konzipierte Lösung sein, nicht einfach die reduzierte Version eines für Konzerne entwickelten CRM. Die persönliche CRM-Software-Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen und ein ausführlicher Test durch die späteren Anwender VOR der Einführung erspart später, dass das CRM-Projekt scheitert. Lassen Sie die Nutzer ruhig einfach mal auf das System los, ohne vorher allzu viel zu erklären. Im stressigen Tagesgeschäft oder bei neuen Mitarbeitern steht nicht immer ein Schulungsleiter daneben, der Funktionen erklärt und Fehler verhindert. Was in diesen ersten Stunden des Ausprobierens passiert, wird später wieder passieren. Erst wenn die Software intuitiv funktioniert, sind Sie an der richtigen Adresse.

 


Autor
Sven Sester