Überflieger, oder in Englisch “Outliers” sind die Persönlichkeiten, die für gewöhnlich bewundert, angehimmelt, teils gar als Übermenschen gefeiert werden - jedenfalls von ihren Anhängern. Das können überragende Sportler, Musiker oder aber Persönlichkeiten aus der Wirtschaft sein, die einfach außergewöhnlich erfolgreich sind: Bill Gates, die Beatles, Albert Einstein, Steve Jobs, Bill Joy - um nur ein paar der behandelten Überflieger zu nennen.
Schweiß und harte Arbeit, aber nicht nur
Das Buch von Gladwell springt allerdings nicht auf den Zug auf, indem er diese diese Persönlichkeiten bloß feiert. Er reduziert es auch nicht darauf, dass die Überflieger hart gearbeitet haben, um erfolgreich zu werden. Im Gegenteil: In “Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind - und andere nicht” (amazon Link) argumentiert Gladwell, dass eigentlich keine dieser Persönlichkeiten es ganz von alleine geschafft hat. Jede(r) von ihnen profitierte zu einem enormen Maß vom Zufall, oder anders gesagt, von den Umständen, in denen der Überflieger (zu Beginn ein Normalo) es zu Erfolg gebracht hat.
Ein Donald Trump würde natürlich keine Sekunde lang zögern und sich selbst die Lorbeeren für seinen Erfolg zuschreiben (über den man sicherlich auch streiten kann). Die meisten Überflieger, die Gladwell beschreibt, sind sich aber durchaus bewusst, dass sie enorme Profiteure von glücklichen Umständen sind.
Warum entscheidet der Geburtsmonat über die Chancen als Profi-Hockey Spieler? Warum verlieren Kinder aus unteren Bildungsschichten über den Sommer den Anschluss?
Die Überflieger verdanken ihren Erfolg natürlich ihrem Talent und der harten Arbeit, das ist aber lange nicht alles. Gladwell beschreibt, welch wichtige Rolle die Umstände für jeden einzelnen gespielt haben. Erfolg ist also keineswegs nur hausgemacht und auf die Persönlichkeit zurückzuführen. Die Umstände, durch die jemand gerade in den jungen Jahren gefördert wird, können entscheidend sein und den Unterschied zwischen “normal erfolgreich” und außergewöhnlichem Erfolg ausmachen.
Das Buch ist wirklich kurzweilig und voll mit interessanten Geschichten und Studien, die Gladwell als Belege seiner Theorien heranzieht. Dabei verliert er sich nicht in einem Spezialbereich, sondern berührt viele Felder und spannt damit ein umfassendes Netz zu den Grundlagen von Erfolg.
Zum Beispiel beschreibt er, dass man nicht notwendigerweise der cleverste sein und einen IQ über 150 haben muss. Im Gegenteil: Oftmals ist das sogar hinderlich. Für eine außergewöhnliche Karriere reicht es völlig, "clever genug" zu sein. Über die rein genetischen Voraussetzungen hinaus liefert er überraschende Beispiele, warum genau der Bildungsgrad der Eltern wichtig ist, welche Auswirkungen das Bildungssystem hat und zu welchen Folgen die Schere zwischen arm und reich in der Bildung von Kindern führt. Eine nicht unerhebliche Rolle spielen dabei die langen Sommerferien. Diesen Teil fand ich extrem spannend.
Doch auch die Brücke zu der harten Arbeit schlägt Gladwell, als er die 10.000 Stunden Regel anführt: Wer sich nur lange genug mit einem Thema beschäftigt, wird irgendwann zu den besten darin gehören. Oftmals ist es die 10.000 Stunden Marke, ab der man etwas deutlich besser beherrscht als der Rest. Oder anders gesagt: wer sich 10.000 Stunden mit etwas beschäftigt hat, der kann darin kaum schlecht sein. Hierfür hat er Beispiele aus der Musik (jahrelange Proben der Beatles in Hamburg), der Informatik (Bill Gates in der Programmierung) und und und. Um außergewöhnlich erfolgreich zu sein, reicht es aber nicht einfach ein guter Programmierer zu sein. Man muss auch zur richtigen Zeit geboren sein und Erfahrungen im richtigen Kontext gesammelt haben, um überhaupt an die Entwicklung eines Betriebssystems zu denken.
Kurzum: Das Buch ist voll mit den Zufällen, die in Summe aber einen großen Effekt auf den Werdegang (und beruflichen Erfolg) jedes einzelnen haben. Die Beispiele vieler Idole der heutigen Welt machen den Erfolg greifbar und helfen einem das eigene Leben zu reflektieren. Durch das Buch weiß ich jetzt auch, dass es kein kein Abschluss aus Harvard sein muss. Das ist beruhigend und motivierend zugleich, denn so kann man sich nicht darauf ausruhen ;-)
Etwas ins Verhältnis rücken möchte ich die Aussagen von Gladwell aber noch, denn die Dinge die er beschreibt sind natürlich kein Anlass, um sich zurück zu lehnen und zu sagen “ich bin so arm dran, weil meine Umstände nicht optimal waren”. Ebenso wie Gladwell zeigt, dass das Umfeld wichtig ist, so gibt es doch auch viele Beispiele dafür, dass man das Glück gewissermaßen erzwingen kann.
“I even went to KFC when it came to my city. Twenty-four people went for the job. Twenty-three were accepted. I was the only guy…“
Jack Ma, Founder of Alibaba
Das nennt man dann “das Glück des Tüchtigen” und als ein Beispiel geht ganz sicher Jack Ma durch, der Gründer von Alibaba, dem chinesischen amazon. Als die Fast Food Kette KFC nach China kam und Jack sich um einen Job in der Filiale bewarb wurden 23 von 24 Bewerbern genommen - Jack Ma als Einziger nicht. Und das war nicht sein einziger Rückschlag. Sein Buch lese ich übrigens als nächstes.
Viel Spaß bei der Lektüre. Der deutsche Titel ist wie genannt Überflieger (amazon Link), ich habe das Buch im englischen Original gelesen: Outliers: The Story of Success (amazon Link).